Castingshow als letzte Chance?

Paul Kokel im Gespräch über Castingshows, ihre Teilnehmer und die deren Zukunft.

Verspottet, gehasst, aber doch wieder von jedem geschaut – Castingshows. In Österreich gibt es schon seit den 80ern immer wieder neue Castingshows. Kürzlich ging erst das Finale eines neuen Castingformats Herz von Österreich auf PULS4 über die Bühne. Paul Kokel, selbst Musiker und Musiklehrer, war mit der Finalkandidaten Natalie Holzner auf Promotiontour und auch hinter den Kulissen dabei. Wie sieht man als professioneller Künstler Formate wie Herz von Österreich vor der Show und nach der Show? Brauchen Teilnehmer wirklich Talent oder reicht es anders hervorzustehen? Und ob talentiert oder nicht: Ist es wirklich die letzte Chance um in der Musikbranche Fuß zu fassen?

Das Thema Castingshow und Castingstar ist natürlich auch an der Südsteiermark nicht spurlos vorbeigegangen. Es gab in den letzten Jahren einige Teilnehmer aus der Region, die mehr oder weniger erfolgreich waren. Und da ich dieses Thema persönlich ziemlich interessant finde, möchte ich auch in meinem Absolut Südsteiermark Blog darüber berichten.

10259773_277483925757335_8554830954938473779_n„Herz von Österreich“ ist wieder ein neues Castingformat. Diese Formate werden verspottet aber doch von allen geliebt. Warum?

Castingshows sind durch ihre Regelmäßigkeit zur besten Sendezeit sehr medienpräsent und bleiben dadurch im Gespräch. Vor allem werden die Shows durch zusätzliche erfundene oder ausgeschmückte Stories der Kandidaten interessant gehalten So kommt meiner Meinung nach auch der Spott zustande.

 

In Deutschland sind DSDS und Popstars ziemliche Konstanten. Wir hatten Starmania, die große Chance, Helden von Morgen und jetzt neu Herz von Österreich. Ist keine von diesen Sendungen gut genug um sich über einen längeren Zeitraum zu halten?

In Österreich probiert man ständig neue Formate zu schaffen um bessere Einschaltquoten zu erzielen, deshalb halten sich Castingformate kaum über einen längeren Zeitraum. Und man kann die österreichische TV-Landschaft kaum mit der deutschen vergleichen, denn Deutschland hat durch seine Größe einfach eine höhere Reichweite.

 

Castingformaten wird nachgesagt, dass die Teilnehmer nach der Sendung schnell wieder aus der Branche verschwinden. Christina Stürmer beweist nach über 10 Jahren das Gegenteil. Zufall oder Talent?

Wen gibt es in Österreich noch, der sich nach dem Aus der Castingshow gehalten hat? Vielleicht Conchita Wurst. Aber für mich ist das mit Christina Stürmer purer Zufall. Ihr richtiger Durchbruch nach Starmania kam erst, als sie auch in Deutschland aktiv wurde. Sie war damals einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort – und Starmania hat ihr sicher nicht geschadet.

 

Auf deiner Website steht, du bist ehrlich, ehrgeizig und spontan. Ganz ehrlich und ganz spontan, wie schlimm war „Herz von Österreich“?

Wieso gerade die Frage schlimm? Man könnte auch fragen, wie super Herz von Österreich war, oder wie es war. Für PULS4, als weniger bekannten Fernsehsender, war es schwer ein großes Publikum zu erreichen. Doch die Wahlkampfgestaltung als gleichzeitige Werbetour für den Sender war gut gemacht. Schlimm war es auf keinen Fall, es gab hier und dort Fehler die man hätte vermeiden können, aber vielleicht gibt es ja eine zweite Staffel.

 

Schaust du privat auch Castingshows?

Selten, ganz selten. Ich habe „Herz von Österreich“ geschaut, „DSDS“ als Marco Angelini dabei war, und die erste Staffel von DSDS und Starmania. Aber ganz ehrlich, Freitag- bzw. Samstagabend habe ich durch unsere Auftritte besseres zu tun als fernzusehen.

 

Natalie Holzner von „Herz von Österreich“ kennst du persönlich und warst mit ihr auf Promotiontour. Haben Kandidaten bei diesen Castingshows wirklich Talent?

Natalie Holzner ist wirklich talentiert – das weiß ich heute. Bei „Herz von Österreich“ waren insgesamt 64 Kandidaten, dass davon nicht alle extrem talentiert sind ist klar. Aber es gibt auch immer wieder Teilnehmer, die durch ihr Talent extrem hervorstechen. Wie talentiert ein Kandidat sein muss, hängt von der jeweiligen Castingshow ab. Bei manchen Formaten ist es sehr hilfreich Privatgeschichte auszupacken oder sich auszuziehen.

 

Jahre später hört man erst, wie sehr sich manche verändern und verbiegen musste, um in das Castingformat zu passen. Soll bzw. muss man sich verbiegen lassen?

Es ist wichtig, sogar sehr wichtig, man selbst zu sein. Aber in diesen Formaten sind ständig Berater und dergleichen um einen. Diese beeinflussen nach einer gewissen Zeit so, dass man nach der Castingshow nicht mehr der ist, der man davor war.

 

Ist man als Verlierer nach einer Castingshow wieder nur einer von Millionen?

Schwierige Frage… Vorher haben wir ja von Christina Stürmer gesprochen, sie ist bei Starmania nur Zweite geworden, war als eine Verliererin – heute ist sie die wahre Gewinnerin. Nach einer solchen Sendung ist es schwierig die Medienpräsenz beizubehalten. Das ist der Hauptgrund für das Verschwinden so vieler Ex-Castingshow-Kandidaten.

 

Heute bist du als Musiklehrer tätig, und spielst bei der Pop-Schlager-Band Nordwand. Hast du es selbst mal in Erwägung gezogen an einem Castingformat teilzunehmen?

Nein, nie! Ich bin nicht der Typ, der durch Castingformate auf sich aufmerksam machen möchte. Viel lieber komme ich durch eine gute Leistung ins Gespräch und nicht durch eine Castingshow.

 

Du weißt es aus eigener Hand, dass die Musikbranche keine besonders leichte Branche ist. Wie kann man auch ohne Castingshow bekannt werden?

Egal ob Band oder Einzelkünstler: Auftritte! Für Bands ist es auch wichtig, sich eine gute Fanbasis aufzubauen – denn eine schlechte Band mit Fans hat es leichter als eine gute Band, die niemand kennt. Als Einzelkünstler zählt in erster Linie das Talent. Aber jeder junge Künstler muss sich im Klaren sein, dass man bei ersten Auftritten nichts erwarten darf, schon gar keine Gage. Man muss eher froh sein, wenn man für den Auftritt nicht bezahlen muss.

 

Auch Natalie Holzner war vorher schon in der Schlagerszene bekannt, trotzdem hat sie an „Herz von Österreich“ teilgenommen. Ist die Castingshow heute die letzte Chance um in der Musikbranche auch Fuß zu fassen?

Es ist ein Chance, ob es die Letzte ist weiß nicht. Aber ganz sicher ist es eine Chance, um als Künstler ein Lebenszeichen von sich zu geben und zu sagen „Hier bin ich!“.

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